Ihr Experte für Logistik & Logistik-IT

IT-Systeme in der Logistik

IT-Systeme in der Logistik Übersicht IT-Systeme

IT-Systeme in der Logistik

LVS, WMS, TMS, WWS – die Welt der Logistik-Systeme ist vielfältig. Vielfalt kann aber auch verwirrend sein. Aus vielen Gesprächen im Rahmen von Projektmeetings habe ich erkannt, dass oft auch falsche Erwartungen an die einzelnen Systemarten gestellt werden. Nachfragen, was genau sich hinter welcher Abkürzung versteckt, wird oft vermieden – vermutlich aus falscher Angst, sich als nicht so technik-affin zu outen.  Lehnen Sie sich zurück, hier gibt es den Einstieg in die Welt der Logistik-Systeme.


ERP (Enterprise Resource Planning)

Das Kernsystem im Unternehmen. Es unterstützt zentrale Aufgaben der Unternehmensführung, die Planung Ihrer Ressourcen, wie z.B. Personal, Kapital, Material und die erforderlichen Betriebsmittel. Dabei geht es nicht um eine statische Vorausschau, sondern um dynamische Planung, stets angepasst an sich ändernde Rahmenbedingungen. Diese Gesamtplanung wird in weiterer Folge mit dem ERP gesteuert, auch der retrospektive Vergleich des Plans mit der Realität ist Teil des ERP.

Unter Führung des ERP werden Teilaufgaben oft an untergelagerte Systeme (ein paar Beispiele finden Sie in weiterer Folge) abgegeben. Die Kommunikation erfolgt über einen Verbund an Schnittstellen. Diese Schnittstellen, technisch wie funktional, so aufzusetzen, dass alle Anforderungen (auch Sonder-/Ausnahmefälle) abgedeckt werden, ist die große Kunst der erfolgreichen Implementierung.

Vor allem die großen global tätigen ERP-Hersteller bieten modulare Lösungen, die im Prinzip alle Aufgaben in einer ERP-Suite abdecken können. Ob solch eine Komplettlösung für Ihr Unternehmen der beste Ansatz ist oder doch eher der Einsatz von (spezialisierten) Modulen mehrerer Hersteller kann ich nicht pauschal beantworten. Das hängt sehr von Umfang, Umfeld und Komplexität der Aufgaben ab und sollte erst nach gründlicher Analyse der Anforderungen und dem Vergleich potenzieller Lösungen entschieden werden.


WWS (Warenwirtschaftssystem)

Im WWS geht es um die Prozesse den Warenfluss betreffend. Kurz zusammengefasst sind das vor allem Angebotsmanagement, Auftragsmanagement, Lieferkettenmanagement und Rechnungsmanagement. Für Ware, die an Sie geliefert wird und die Sie entweder direkt weiterverkaufen, für Ihre Produktion benötigen oder von Ihnen produzierte Ware. Verwaltet werden damit nicht nur die dahinterstehenden Finanzwerte, sondern vor allem auch Mengen, deren aktueller Status und Aufenthaltsort. Wie auch bereits beim ERP können untergelagerte Systeme (z.B. für die Lagerverwaltung) Teil des WWS sein oder auch eigenständige Systeme, die über Schnittstellen angebunden werden.


PPS (Produktionsplanungs- und Steuerungssystem)

Die Aufgaben des PPS sind Planung und Steuerung von Produktionsvorgängen. Sichergestellt werden soll die Verfügbarkeit aller notwendiger Ressourcen zum definierten Zeitpunkt. Die Planungsaufgaben des PPS erstrecken sich daher z.B. auf die Bereiche Rohmaterial, Betriebsstoffe, Anlagen und Personal. Das PPS unterstützt, auch auf Basis von Informationen aus anderen Systemen wie ERP und WWS, dabei die optimale Produktionsplanung sicherzustellen. Welche Anlagen sind wann verfügbar? Welche Roh- und Hilfsmaterialien können wann eingesetzt werden? Wie dringend ist der Bedarf an der produzierten Ware? Welche Ware kann ich nicht produzieren, wenn ich das Rohmaterial für diesen Artikel verwende? Was sind die optimalen Produktionslosgrößen? Nur ein kleiner Teil der Fragen, die ein PPS bei der Planung berücksichtigen muss. Diese Vielschichtigkeit macht die Produktionsplanung zu einer sehr komplexen Aufgabe mit hohen Anforderungen an die dafür eingesetzten Systeme.


LVS (Lagerverwaltungssystem) / WMS (Warehouse Management System)

Ein LVS bzw. WMS unterstützt alle Prozesse, die innerhalb eines Lagers stattfinden. Wareneingang, Lagerung und Warenausgang. Das können einfache Prozesse wie z.B. das Handling von Paletten sein, die nach einer gewissen Lagerdauer unverändert wieder ausgelagert werden. Je nach Bedarf und System können andererseits aber auch sehr komplexe Prozesse abgebildet werden. Qualitätsprüfungen im Wareneingang, permanente Inventur, Kommissionierung, Verpackung, Mehrwertdienstleistungen (Value Added Services) sind nur einige der möglichen Ausbaustufen. Was die mir bekannten Lagerverwaltungssysteme eint ist deren Fokus auf die prozessuale Ebene. Eine neuere Herausforderung, vor allem getrieben durch den Absatz über mehrere Vertriebswege (z.B. stationärer Handel und Unternehmenseigener B2C Webshop), ist die parallele Nutzung unterschiedlicher Prozessoptionen für die vermeintlich gleiche Aufgabe. Datenanalyse und darauf aufbauende Teilung bzw. Konsolidierung von Teilaufgaben und deren optimierte Abarbeitung ist somit ein wichtiges Kriterium moderner LVS geworden. Lagerverwaltungssysteme bedienen sich zur Unterstützung dieser optimierten Abarbeitung verschiedener Technologien wie z.B. Barcodes, RF-ID, Spracherkennung und Werkzeuge wie z.B. RF-Terminals mit auf die jeweilige Technologie angepasste Erfassungsmodule.


MFR (Materialflussrechner) / MFC (Material Flow Controller)

Der MFR ist, einfach ausgedrückt, die Verbindung zwischen dem LVS und etwaiger Automatisierungstechnik (z.B. Fördertechnik, Regalbediengeräte, Sorter, Schachtkommissionierer, …). Das LVS gibt die zu erfüllenden Aufgabe vor, der MFR übersetzt diese Aufgabe dann in Befehle an alle involvierten technischen Komponenten und steuert die korrekte zeitliche Abfolge. Erfahrungsgemäß wird die Aufgabe komplexer je mehr Hersteller involviert sind. Man kann also das LVS von Hersteller A mit dem MFR von Hersteller B und Automatisierungskomponenten der Hersteller C, D und E koppeln. Abgesehen davon, dass man dabei oft Neuland in der Zusammenarbeit der Unternehmen untereinander betritt, sollte man technisch sehr sattelfest sein, um bei Problemen zu erkennen welcher Partner lösungsrelevant bzw. -verantwortlich ist.


DMS (Dock Management System)

Das DMS hilft bei der Verwaltung der Be- und Entladetore sowie der dazugehörigen Vorzonen. Ziel ist es, die vorhandenen Ressourcen in diesem Bereich durch genaue Planung möglichst gut auszulasten. Durch die auf die LKW-Sequenz abgestimmten vor- bzw. nachgelagerten Prozesse kann der Flächenbedarf klein gehalten werden. Ein weit verbreiteter DMS-Ansatz ist die Buchbarkeit von Be- und Entladezeitfenstern, oft auch direkt durch den Transporteur über eine Webplattform.


YMS (Yard Management System)

Das YMS geht noch einen Schritt weiter und unterstützt die Steuerung von Fahrzeugbewegungen am Betriebsgelände. Nicht nur den direkten Bereich von Be- und Entladung, sondern z.B. auch Parkpositionen oder auch die Bewegung von Transportbehältnissen wie z.B. Wechselaufbauten durch geeignete Förderfahrzeuge zu den jeweils benötigten Positionen.


TMS (Transportmanagementsystem)

Das Transportmanagementsystem kümmert sich, wie der Name sagt, um den Transportbereich. Innerhalb der TMS ist durchaus Vielfalt vorhanden, jeweils angepasst an die entsprechenden Aufgaben. Das kann z.B. die Planung sein, welche Sendungen mit welchem LKW von wo wohin gefahren werden. Ein Spediteur möchte auf dieser Basis z.B. auch die weitere Verrechnung an den Auftraggeber ansteuern und seinen Umsatz auf LKW oder, tiefer ins Detail, auf Sendungsebene mit den Kosten vergleichen.

Durchaus üblich ist es mittlerweile auch im Rahmen des TMS oder eines angebundenen Moduls Statusinformationen, teilweise in Echtzeit, zu sammeln und einem berechtigten Kreis (z.B. Transportkunden über Tracking-Plattformen) zur Verfügung zu stellen. Werkzeug dafür sind meist auf den Fahrzeugen mitgeführte Mobile Datenerfassungsgeräte (MDE). Damit können neben dem aktuellen Standort auch der Sendungsstatus, der Übergabenachweis (Proof of Delivery – POD) und etwaige Abweichungen (Transportschäden, …) dokumentiert und gemeldet werden.


Tourenoptimierungssystem

Die manuelle Zusammenstellung von Touren (Disposition) wird mit steigender Sendungsanzahl und sinkender Sendungsgröße komplexer. Ein Tourenoptimierungssystem unterstützt bei der optimalen Planung von Touren. Mit Hilfe von Algorithmen wird die optimale Verteilung der Sendungen auf die zur Verfügung stehenden Fahrzeuge unter Berücksichtigung der Rahmenparameter (z.B. Öffnungszeiten, Gewichtsgrenzen, maximale Lenkzeit, Fixtermine, …) berechnet.


Laderaumoptimierungssystem

Bei der Laderaumoptimierung geht es darum, Transportkosten durch eine möglichst gute Auslastung des Laderaums zu senken, wobei auch auf Gewichtsverteilung und Belastbarkeit der einzelnen Packstücke Bedacht genommen wird. Im standardisierten Straßenverkehr auf Basis von Paletten ist das weniger ein Thema, beim Packen von Luftfrachtpaletten oder dem Stauen von Seecontainern kommt der Laderaumoptimierung ein großer Stellenwert zu, vor allem, wenn unterschiedliche Arten von Packstücken (Gewicht, Abmessungen, Belastbarkeit) und vielleicht sogar mehrere Entladestellen zu kombinieren sind. Die IT-unterstütze Laderaumoptimierung berechnet auf Basis hinterlegter Algorithmen unter Berücksichtigung der relevanten Parameter die optimale Verteilung der einzelnen Packstücke und erstellt entsprechende Ladepläne.


Zusammenspiel zwischen den Systemen

So richtig spannend wird es dann, wenn die verschiedenen Systeme im Verbund arbeiten. Je mehr die Stärken der einzelnen Systeme genutzt werden umso größer der Nutzen für das Ganze. Ich erkläre das mal anhand eines kleinen Beispiels im Bereich Auslieferung. Es gibt an manchen Stellen auch andere Optionen die Systeme mit vergleichbarem Ergebnis zu verbinden, welcher Weg dann jeweils der Beste ist muss man Fall zu Fall entscheiden.

Das Beispiel: Das Warenwirtschaftssystem verwaltet die Aufträge und gibt die fälligen Aufträge auf Basis der aktuellen Verfügbarkeit an das Lagerverwaltungssystem. Das Lagerverwaltungssystem gibt die Aufträge für den Straßentransport, angereichert um die voraussichtlichen Packstückinformationen (Packstückanzahl, Abmessungen, Gewichte) an das Tourenoptimierungssystem und die Aufträge für den Seetransport in Container an das Laderaumoptimierungssystem weiter. Die beiden Systeme tun ihre jeweilige Arbeit und senden die Informationen welche Sendungen bzw. Packstücke in welcher Reihenfolge auf eine Ladeeinheit (z.B. LKW, Container) verladen werden sollen an das Lagerverwaltungssystem und die Transportdaten an das Transportmanagementsystem. Vom Transportmanagementsystem geht die Information an das Dock Management System, welches die entsprechenden Frachtführer informiert und zur Buchung der Beladefenster innerhalb einer vorgegebenen Frist einlädt. Diese Information fließt vom Dock Management System dann wieder zurück an das Transportmanagementsystem und in weiterer Folge an das Lagerverwaltungssystem. Das Lagerverwaltungssystem kann nun in der richtigen Reihenfolge (Sendungsreihenfolge im LKW und Reihenfolge der LKW-Abfahrt) und unter Berücksichtigung der erwarteten Prozesszeiten Kommissionierung, Mehrwertdienstleistungen, Verpackung und Versandbereitstellung starten.

Mit diesem Zusammenspiel kann einerseits Transparenz über den Status der Abarbeitung und Einhaltung der Zieltermine sichergestellt werden, während andererseits der Bedarf an Bereitstellungsflächen durch die Berücksichtigung der Verladesequenz minimiert wird. Komplex? Definitiv. Aber machbar und vor allem mit zunehmender Größe des Logistikbetriebs sinnvoll.


Schlusswort

Sie sehen jetzt klarer im Wirrwarr der Logistiksysteme? Ziel erreicht!

Ich freue mich sehr über Ihre Rückmeldung zu meinem Blogbeiträgen und beantworte gerne Ihre Fragen. Sie sehen Potential Ihre Logistik-IT auf ein höheres Level zu heben? Kontaktieren Sie mich, um gemeinsam sinnvolle Möglichkeiten zu erarbeiten. Meine Kontaktdetails finden Sie hier.

Sie wollen stets informiert bleiben? Kein Problem! Melden Sie sich für meinen kostenlosen Logistik-Newsletter an. Hier geht’s zur Anmeldung.

 



Veröffentlicht am 17. März 2021

Titelbild: Michael Manges

(+43 720) 310 319 11
office@manges.at