Operative Kennzahlen in der Logistik

Operative Kennzahlen in der Logistik

In meiner Serie zum Logistik-Outsourcing hatte ich bereits erwähnt, dass Erfolg und Misserfolg die jeweiligen Ergebnisse der subjektiven Erwartungshaltung sind. Je „weicher“ ein Ziel definiert und dessen Erreichungsgrad gemessen wird umso schwieriger ist Subjektivität durch eine objektive Sichtweise zu ersetzen. Eine bewährte Methode, diese objektive Betrachtung zu erreichen, ist Definition und Messung von Kennzahlen. Aber Vorsicht! Man kann mit der Wahl der richtigen Kennzahlen viel gewinnen, Fehler im Kennzahlenkonzept können aber den umgekehrten Effekt erzielen – manifestiert im geflügelten Satz „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“.


Warum operative Kennzahlen?

Wir haben doch bereits unsere Finanzkennzahlen! Stimmt. Die sind wichtig, haben aber eine Schwäche: Sie zeigen die Vergangenheit. In vielen Unternehmen stehen die Finanzkennzahlen des Vormonats einige Tage nach Monatswechsel zur Verfügung. In diesen Zahlen kann man die Entwicklung der Umsatz- und Kostenstruktur ablesen. Für einen Zeitraum in den man nicht mehr eingreifen kann. Jede auf diesen Zahlen basierende Aktion hat also eine Verzögerung von mehreren Wochen zum Auftreten der Ursache. Sofern die Ursache überhaupt erkennbar ist. Ein Beispiel: Die Anzahl der ausgelieferten Stück ist gesunken, die Personalkosten sind aber gestiegen. Das sehen wir in den Finanzzahlen. Was wir aber nicht sehen sind viele potenzielle Ursachen, z.B.

  • War die Auftragsstruktur verändert?
  • Gab es eine gleichmäßige Verteilung der Auftragslast?
  • Entsprachen die Schicht-Mengen dem jeweiligen Forecast?
  • Hatten wir IT-Probleme?
  • Hatten wir unvorhergesehene Personal- oder Technikausfälle?
  • Wurde unerfahrenes Personal eingesetzt?
  • Ist die Auslastung (z.B. des Lagers) am Limit?
  • Sind die Ursachen Einmaleffekte oder nachhaltig?

Operative Kennzahlen können die entsprechenden Antworten liefern. Mehr noch, sie liefern die Information zeitnahe. Die Reaktion auf neue geänderte Bedingungen ist, abhängig von der Messfrequenz, oft am selben oder am nächsten Tag möglich. Reaktion mit dem Ziel die Auswirkung zu mildern und damit wenig, oder auch gar keinen, negativen Effekt auf das Ergebnis, manifestiert in den Finanzkennzahlen, auszulösen.


Welche Kennzahlen sind relevant?

Das kommt ganz auf die Anforderungen und den Umfang des jeweiligen Logistikbetriebs an. Im Prinzip kann alles gemessen werden das einen Rückschluss auf den aktuellen Status des Betriebs zulässt. Andererseits soll es aber auch kein Zahlenfriedhof werden. Dutzende täglich erhobene Werte wird niemand sinnvoll überblicken können. Man muss, aus der Menge der möglichen Kennzahlen, die wirklich wichtigen herausfinden. Die Kennzahlen, die der Schlüssel zu Ihrem Erfolg sind. Die Schlüsselleistungskennzahlen oder, als Begriff wohl auf Englisch geläufiger, die Key Performance Indicators (KPI).


Aber wie find ich jetzt meine KPI?

Für mich bewährt hat sich die Vorgehensweise von der Menge der möglichen Kennzahlen die weniger relevanten auszufiltern. Voraussetzung ist zuerst mal eine Strategie, was mit Hilfe der KPI eigentlich gesteuert werden soll. Dazu benötigt man dann Detailkenntnis der zu messenden Bereiche. Was immer wieder mal versucht wird, ist die Top-Down Implementierung ohne Einbindung der jeweiligen Experten. Damit erhält man zwar Kennzahlen, in vielen Fällen bringen die aber nur Arbeit in der Erstellung ohne reale Aussagekraft. Lieber den Personenkreis für die KPI-Definition und Implementierung etwas größer definieren und mehr Zeit einplanen. Das bringt meist aussagekräftigere Information und auch höhere Akzeptanz der gewählten KPI und der daraus abgeleiteter Maßnahmen.

Von den möglichen Kennzahlen werden in mehreren Schritten die nicht relevanten ausgefiltert. Kennzahlen, die keine wirkliche Aussagekraft haben. Redundanzen, Kennzahlen die untrennbar zusammenhängen und sich immer in Abhängigkeit zueinander entwickeln. Kennzahlen, die weder von den involvierten Parteien beeinflusst werden, können noch die Entwicklung anderer KPI erklären. Kennzahlen, deren Aufwand zur Erhebung in keiner Relation zum möglichen Nutzen stehen. Mit dieser Übung reduziert man die Anzahl der Kennzahlen für die man einen Sinn zur Messung sieht sehr deutlich – und schon sind sie da! Die richtigen KPI um die anfangs definierte Strategie umzusetzen.


Welche Bereiche sollen mit Hilfe von KPI gemessen werden?

Im operativen Bereich, unabhängig ob in Eigenleistung oder durch einen Dienstleister, ist man mittlerweile ganz gut darin die eigene Abwicklung zu messen. In vielen Fällen endet die Messung aber an der Grenze des eigenen Bereichs. Ich meine, das reicht nicht. Man darf die operative Abwicklung nicht so isoliert sehen. Vor- und nachgelagerte Unternehmensbereiche oder externe Partner haben massiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des eigenen Verantwortungsbereichs. Nehmen wir die Lagerlogistik als Beispiel. Optimale Leistung zu niedrigen Kosten kann der Lagerbereich nur bieten, wenn die Arbeitslast des jeweiligen Zeitraums und die Verteilung derselben der Planung, dem Forecast, entspricht. Andernfalls besteht ein hohes Risiko ungeplanten Mehraufwand nicht rechtzeitig abarbeiten zu können oder Ressourcen (Personal und Geräte) nicht auslasten zu können – mit entsprechender Auswirkung auf die eigenen KPI. Vergleichbares gilt für die Nachgelagerte Partei, in unserem Beispiel den Transportpartner. Auch hier wird im Lager z.B. auf Basis von Ladeterminen Ressourcenplanung betrieben. Ungeplante Konzentration, z.B. am Tagesende, führt im Lager zu Mehraufwand – während in anderen Zeiträumen Ressourcen nicht wie geplant ausgelastet werden können. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf die Erfüllungsmöglichkeit der eigenen KPI-Vorgaben.

Alle an der Supply Chain beteiligten Parteien sind daher gut beraten, neben den eigenen Kennzahlen, auch KPI des jeweils vor- und nachgelagerten Partners abzustimmen, zu messen und zu kommunizieren. Abweichungen dieser KPI müssen dann auch als nachvollziehbare Argumentation zu eigenen KPI-Abweichungen anerkannt werden.


Definieren Sie Ziele!

Sobald es möglich ist für eine Kennzahl ein Ziel zu definieren sollten Sie das tun. Zahlen, ohne eine Referenz ob der Wert gut oder schlecht ist, helfen nur den jeweiligen Bereichsexperten weiter. KPI werden aber oft auch mit einem größeren Kreis geteilt. Klar definierte Ziele nehmen der subjektiven Einschätzung den Raum. Definieren Sie Ziele gemeinsam mit den jeweiligen Stakeholdern. Fordernd, aber nicht überfordernd. Unerreichbare Ziele werden nicht ernst genommen, zu einfach erreichbare Ziele untergraben die Motivation sich zu verbessern. Ziele müssen, ebenso wie die Kennzahlen selbst, regelmäßig hinterfragt und bei Bedarf angepasst werden.


Wie stelle ich KPI dar?

Selbst ich als Zahlenmensch habe Probleme mit KPI-Tabellen, die viele Zahlenwerte beinhalten. Der Weg zu gutem KPI-Verständnis ist die Visualisierung. Auf dem ersten Blick muss erkennbar sein wie sich der jeweilige Wert in einem relevanten Zeitraum verändert und was die zulässige Schwankungsbreite ist. Einfache, verständliche Charts, die Nutzung von Farben, Symbole für den aktuellen Status und dergleichen sind die Mittel der Wahl. Achten Sie auf Lesbarkeit, sowohl in der Darstellungsgröße als auch im Detailgrad. Weniger an Detail ist oft mehr an Verständlichkeit. Wer tiefer in die Materie der jeweiligen Visualisierung einsteigen möchte kann in einem zweiten Schritt Detailcharts oder auch die zugrundeliegenden Zahlen durchsehen. Für den Großteil der Informationsempfänger wirken zu viele Daten eher abschreckend und die wesentliche Nachricht kommt nicht an, sofern die KPI-Information dann überhaupt noch gelesen wird.


Wie genau soll ich KPI definieren?

Je genauer umso besser. Genaue Definition verhindert unterschiedliche Interpretation von Ergebnissen und Diskussionen zur Relevanz Ihrer Kennzahlen. Fixieren Sie die Details zur Definition eines jeden einzelnen KPI schriftlich, unabhängig davon ob es sich um KPI innerhalb des eigenen Unternehmens oder um KPI zur Messung der Partnerleistung (z.B. Lieferant, Logistikdienstleister, …) handelt. Ein paar wesentliche Punkte, die in die Definition einbezogen werden sollten, möchte ich Ihnen mit auf dem Weg geben:

  • Wie oft wird gemessen?
  • Wer führt die Messung durch?
  • Müssen Einflussfaktoren anderer KPI berücksichtigt werden, wenn ja welche mit welchen Auswirkungen auf die jeweilige KPI-Betrachtung?
  • Welche Datenquellen werden herangezogen?
  • Welche Daten werden berücksichtigt, welche ausgeschlossen?
  • Wie lautet die exakte Berechnungsformel?
  • Wie und wann werden die Ergebnisse kommuniziert?
  • Welcher Zielerreichungsgrad wird angestrebt?

Fazit: If you can’t measure it, you can’t manage it

Dieses (etwas verkürzte) Zitat von Peter Ferdinand Drucker trifft den Nagel auf den Kopf. Die sorgfältig gewählten operativen KPI ermöglichen Ihnen die Unterscheidung des Normalen vom Abnormalen und bringen Verständnis der Ursachen und Einflussfaktoren für Ergebnisauswirkungen. KPI ermöglichen Entscheidungen und schnelle Reaktion auf Veränderungen. Mit KPI vergleichen Sie den Istzustand mit der Planung, die Realität mit der Erwartungshaltung. Und das alles auf Basis von validen und anerkannten Zahlen, nicht „Intuition“ oder „Gefühl“.


Wie geht es weiter?

In zwei Wochen tauchen wir in die Logistik-IT ein. Aber keine Panik, ich erkläre das Thema natürlich verständlich für Nicht-IT-Experten. Was Sie erwarten dürfen? Einen Wegweiser durch den Dschungel der IT-Systeme im Logistik-Umfeld.

Ich freue mich sehr über Ihre Rückmeldung zu meinem Blogbeiträgen und beantworte gerne Ihre Fragen. Sie wollen operative KPI implementieren? Ich unterstütze Sie sehr gerne. Meine Kontaktdetails finden Sie hier.

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Veröffentlicht am 3. März 2021

Titelbild: Michael Manges

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