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Outsourcing der operativen Logistik – Folge 6: Go Live und laufender Betrieb

Outsourcing der operativen Logistik – Folge 6: Go Live und laufender Betrieb iStock.com/AndreyPopov

Folge 6: Go Live und laufender Betrieb

Die Implementierung wurde gut vorbereitet, der Go Live steht unmittelbar bevor. Eine Zeit großer Anspannung. Aber auch wenn man erfolgreich startet, geht die Arbeit an der Zusammenarbeit weiter – und endet auch erst mit dieser.


Kann ich den Start erleichtern?

Definitiv! Alles, was der Risikominimierung dient, ist willkommen. In diesem Absatz trage ich ein paar Ideen zusammen wie das gelingen kann. Nicht für jedes Projekt ist aber jeder der Vorschläge durchführbar.

Ein ganz wesentlicher Punkt ist die gute Planung des Startdatums. Bei starken saisonalen Schwankungen ist es sicher besser in einer Zeit niedrigen Aufkommens zu starten und nicht in der Peak-Season. Vielleicht ist es auch möglich Aufgaben zeitlich zu entzerren (z.B. Anlieferung noch nicht benötigter Waren bereits vor Go Live an den neuen Lagerstandort, um Umzugsmengen zu reduzieren). Alles was Arbeitslast vom unmittelbaren Go Life abhält kann helfen. So können vielleicht Tätigkeiten noch in die letzten Tage des alten Logistiksetups vorgezogen oder komplexe Konstellationen in den ersten Tagen vermieden werden.  Auch eine fließende Umstellung mittels Parallelbetrieb der alten und der neuen Abwicklung oder eine mehrstufige Inbetriebnahme können Optionen sein. Sehr hilfreich ist es auch den Starttermin so zu legen, dass etwaige Rückstände kurzfristig aufgearbeitet werden können (z.B. Nutzungsmöglichkeit von Tagen an denen sonst nicht gearbeitet wird). Auf jeden Fall sollte nach Möglichkeit alles vermieden werden was zusätzliche Last auf die startende neue Logistikabwicklung legen kann, wie z.B. das vorzeitige Einstellen der alten Abwicklung (mit daraus resultierenden r Aufbau eines Auftragsrückstands.


Wie sichere ich einen erfolgreichen Go Live?

Der Start des operativen Betriebs mit dem Logistikpartner ist ein kritischer Moment, der genauer Planung bedarf. Planung für den Go Live an sich, aber auch für die damit startende Hypercare-Phase – der Zeit in der damit gerechnet werden muss, dass Probleme auftreten die kurzfristig einer Lösung zuzuführen sind. Die Planung dieser Phase ist abhängig von Komplexität und Umfang des Projekts. Manchmal reicht es z.B. 2 Wochen vorzusehen, vor allem bei mehrstufigen Implementierungsansätzen kann sich dieser Zeitraum aber auch im Bereich von Monaten bewegen. In der Definition der Hypercare-Phase sollte klar definiert werden wie lange diese in Summe andauert und wie die einzelnen Zeitabschnitte gestaltet werden. Wer muss sich in welchem Umfang wann und wo (z.B. zum Go Live vor Ort und danach Remote) zur Verfügung halten. Wie viel Zeit hat das Team im Bedarfsfall für Reaktion und Lösung bzw. Workaround? In der Regel wird der Unterstützungsbedarf über die Zeitdauer der Hypercare-Phase sowohl in der Planung als auch in der Praxis mit fortlaufender Dauer abnehmen.

Wenn man in den Monaten zuvor ordentlich gearbeitet hat sollte nichts passieren. Ich würde aber niemals ausschließen, dass nicht vielleicht doch das eine oder andere Detail durchgerutscht ist. Bewährt hat sich die Unterstützung durch Experten aus den relevanten involvierten Bereichen vor Ort (das erleichtert die rasche Kommunikation und Lösungsfindung) oder zumindest auf sofortigen Zuruf. Eine gute Zusammenstellung sind z.B. der Projektleiter, Trainer, Prozessexperten und der IT-Support des Dienstleisters. Aber nicht nur der Dienstleister, sondern auch der Auftraggeber sollte ein Team in vergleichbarer Zusammenstellung für den Go Live und die damit beginnende Hypercare-Phase zur Verfügung halten.

Macht es Sinn, dass sich die beiden Teams (Dienstleister- und Auftraggeber) am selben Ort (beim Dienstleister) befinden? In dieser Frage bin ich selbst gespalten. Einerseits ermöglicht das eine sehr rasche Kommunikation, anderseits kann das zielführende Kommunikation auch behindern da innerhalb eines Unternehmens offener diskutiert wird als in Anwesenheit von Unternehmensexternen. Es kann also durchaus Sinn machen, dass Probleme und potentielle Lösungen initial diskutiert werden, man sich für kurze Zeit zu internen Diskussionen zurückzieht und auf Basis dieser Diskussionen in der abschließenden gemeinsamen Diskussion eine bessere gemeinsame Lösung findet – unabhängig davon ob man persönlich oder virtuell zusammenkommt.

Ein Risiko, vor allem bei weniger gefestigten Strukturen, ist Verwirrung durch widersprüchliche Anweisungen verschiedener anwesender Personen. Der Go Live ist ein Punkt, an dem alle Verantwortlichen unter großem Druck stehen. Es ist menschlich absolut nachvollziehbar, dass man z.B. als Verantwortlicher des Auftraggebers Probleme, die man zum Start des operativen Betriebs durch den Dienstleister zu erkennen glaubt, sofort lösen möchte. Stimmen Sie vor dem Tag X mit dem Dienstleister ab wer auf Dienstleisterseite als zentraler Ansprechpartner für solche Themen fungiert und sich um die kurzfristige Lösung kümmert. Kommunizieren Sie Ihre Vorbehalte und Beobachtungen dann aber bitte auch nur an diese Person und versuchen Sie nicht die Lösung mit den operativen Mitarbeitern des Dienstleisters selbst zu implementieren. Abgesehen davon, dass Sie es wohl auch nicht gerne sehen wenn Ihre Autorität durch Betriebsfremde untergraben wird (auch wenn es nicht Ihre Intention war/ist, tun Sie genau das gerade beim Dienstleister), kennen Sie nur Ihre Sichtweise und können nicht unbedingt alle Auswirkungen Ihrer Änderungswünsche auf die Abläufe des Dienstleisters absehen.


Geschafft! Und jetzt?

Ein erfolgreicher Go Live darf und soll gefeiert werden – mit allen involvierten Personen des Auftraggebers und des Dienstleisters. Oft ist das die erste Möglichkeit der Kollegen aus dem Tagesgeschäft das jeweilige Gegenüber auch persönlich kennenzulernen – und das hat, zumindest in meinen Projekten, der weiteren Zusammenarbeit nie geschadet.


Was haben wir im Projekt gelernt?

Mit etwas Abstand zur Implementierung empfehle ich Meetings zur kritischen Auseinandersetzung mit der Historie – den guten und schlechten Erfahrungen aus dem Projekt. Sowohl intern als auch mit dem jeweiligen Partner. Mit offener Kommunikation und Selbstreflektion sollen eventuell noch immer vorherrschenden Missverständnisse ausgeräumt werden, verstanden werden warum Probleme entstanden sind und welche Lehren daraus für die Zukunft gezogen werden. Die Implementierung ist Geschichte und soll, sofern es Probleme gab, die langfristige Zusammenarbeit nun nicht mehr belasten. Auf die Dokumentation nicht vergessen!


Wissen, was läuft

Auch wenn jetzt ein Dienstleister Logistikaufgaben übernommen hat, sollte der Auftraggeber immer einen genauen Überblick über die Situation behalten. Probleme in der Logistik können in sehr kurzer Zeit für den Auftraggeber durchaus existenzbedrohende Auswirkungen annehmen, unabhängig davon, ob diese Aufgaben selbst ausgeführt werden oder durch einen Partner. Wichtiges Werkzeug, um diesen Überblick zu behalten, sind die zuvor definierten Leistungskennzahlen (KPI) und die jeweils definierten Grenzwerte (dazu mehr in einem künftigen Blog-Beitrag). Regelmäßige Meetings zur Besprechung der Kennzahlen und etwaiger Abweichungen, aktueller Herausforderungen, möglicher Optimierungen in Prozess oder Zusammenarbeit und Abstimmung der weiteren Planung würde ich auf zumindest auf monatlicher Basis empfehlen.


Wir müssen etwas ändern

Im Laufe der Zusammenarbeit kommt es natürlich auch immer wieder zur Notwendigkeit, Änderungen zu implementieren. Die Ursachen sind vielfältig. Marktbedürfnisse, rechtliche Vorgaben, neue Geschäftsbereiche, Prozessoptimierungen sind nur einige der guten Gründe Implementiertes zu ändern. Jede Änderung soll aber wohl durchdacht, auf Auswirkungen geprüft, getestet, geschult und dokumentiert werden. Sie erinnern sich an den Change Management Prozess aus der Implementierung (Teil 5 der Serie)? Im Prinzip ist es hier genau das Gleiche: Eventuell muss die Methodik für den operativen Betrieb leicht modifiziert werden (z.B. andere involvierte Personen).


Wie lange sollen wir mit einem Dienstleister zusammenarbeiten?

So lange Sie zufrieden sind. Zufrieden mit Qualität, Leistung und Kosten. Ich kenne Auftraggeber die alle 2-3 Jahre wechseln, andere arbeiten seit über 20 Jahren mit dem gleichen Dienstleister.

Allerdings hat auch der Dienstleister das Recht Verträge zu kündigen oder nicht zu verlängern. Stellen Sie daher sicher, dass die im Vertrag vereinbarten Fristen Ihnen genug Zeit geben, um den Wechsel zu einem anderen Dienstleister vorzunehmen.

Sobald Sie der Meinung sind, dass der Nutzen eines Dienstleisterwechsels den Aufwand einer neuerlichen Ausschreibung übersteigt, ist es der richtige Zeitpunkt mit der Neuausschreibung zu starten. Der Aufwand ist wohl geringer als beim initialen Outsourcing aber trotzdem nicht zu unterschätzen. Geänderte Anforderungen, Lehren die sie aus dem Projekt gezogen haben, veränderte Prozesse, andere Mengenstrukturen erfordern zumeist eine gründliche Überarbeitung der Ausschreibungsunterlagen. Jetzt macht es sich bezahlt, wenn Sie stets tief im Thema geblieben sind und nach wie vor alle relevanten Details kennen, um diese in der Ausschreibung zu berücksichtigen. Jeder Dienstleisterwechsel ist, wie auch die Option des Insourcings, sowohl eine Chance als auch ein Risiko.


Fazit: Zufriedenheit als Basis langfristiger Kooperation

Wenn alles passt kann eine Zusammenarbeit im Logistikbereich auch über Jahrzehnte Bestand haben. Wichtig dafür ist permanente Arbeit an der Zusammenarbeit. Regelmäßiges Hinterfragen der Parameter ist legitim und die Basis für die erfolgreiche Weiterentwicklung. Bestand hat eine solche Partnerschaft aber nur wenn alle Partner zufrieden sind. Der Auftraggeber durch Erhalt der Dienstleistung zur vereinbarten Qualität zu marktüblichen Kosten, der Dienstleister indem die Vergütung seine Aufwände deckt und einen angemessenen Gewinn einbringt.


Wie geht es weiter?

Die Serie zum Logistik-Outsourcing ist mit diesem Beitrag abgeschlossen. Vielen Dank für Ihr Interesse, ich hoffe ich konnte in den sechs Folgen Ihr Verständnis für Logistik-Outsourcing ein wenig erweitern und Bewusstsein schaffen zu den viele unterschiedlichen Themenbereichen, die Sie beim Outsourcing von Logistikleistungen im Blick haben sollten.

Ich freue mich sehr über Ihre Rückmeldung zur Serie und beantworte gerne Ihre Fragen. Wenn Sie Unterstützung bei der Entscheidung zum Outsourcing, im Vergabeprozess oder in der operativen Zusammenarbeit mit Ihrem Dienstleister benötigen, unterstütze ich Sie sehr gerne. Meine Kontaktdetails finden Sie hier.

Der Blog geht natürlich weiter. Alle zwei Wochen finden Sie hier Informationen zu unterschiedlichen Themen aus Logistik und Logistik-IT. In 2 Wochen gehen wir den in der Serie bereits mehrmals erwähnten Kennzahlen auf den Grund.

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Die vollständige Blog-Serie zum Outsourcing von Logistikleistungen

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Veröffentlicht am 17. Februar 2021

Titelbild: iStock.com/AndreyPopov

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