KPI – exakt definiert und vereinbart

In einem früheren Blogeintrag habe ich mich schon mal mit dem Thema der operativen Kennzahlen in der Logistik beschäftigt (siehe hier). Aus gegebenen Anlass aus meiner Beratungspraxis möchte ich auf einen der angesprochenen Bereiche heute näher eingehen, der genauen Definition bzw. Vereinbarung von KPI. 

Zur Erinnerung: KPI sollen möglichst genau definiert werden. Genaue Definition verhindert unterschiedliche Interpretation von Ergebnissen und Diskussionen zur Relevanz der KPI. Auf die wesentlichen Punkte der Definition möchte ich diesmal genauer eingehen. Alle in Folge angeführten Punkte sollten sie für jeden einzelnen KPI mit dem jeweiligen Partner abstimmen und die Vereinbarung schriftlich festhalten. Der jeweilige Partner kann sowohl ein anderes Unternehmen als auch ein anderer Bereich Ihres Unternehmens sein. Ich würde da keinen Unterschied machen. Um das Ganze mit einem Beispiel zu unterlegen habe ich bei jedem Punkt eine mögliche Formulierung für einen KPI hinzugefügt. Der KPI „Zeitgerechte Bereitstellung“ dient in unserem Beispiel dazu, die zeitgerechte Bereitstellung der auszuliefernden Ware durch den Lagerdienstleister für die unterschiedlichen Transportdienstleister zu messen. In unserem Beispiel gehen wir einfach mal davon aus, dass alle Aufträge, die bis 12 Uhr Mittags übermittelt werden bis 17 Uhr versandbereit sein müssen und Aufträge die nach 12 Uhr übermittelt werden dann am nächsten Arbeitstag.

Wie oft wird gemessen?

Die Frequenz richtet sich nach Aufwand, Aussagekraft und Veränderungspotential richten. In vielen Unternehmen stehen KPI aus dem Finanzbereich z.B. nur monatlich zur Verfügung, operative KPI in vielen Fällen täglich und vor allem im Produktionsbereich gibt es oft auch KPI die in Echtzeit aktualisiert werden. Fragen die Sie sich in diesem Zusammenhang stellen sollten:

  • Wie oft ändern sich die Daten die dem KPI zugrundeliegen?
  • Ab wann sind diese Informationen verfügbar?
  • Wie viel Arbeit muss in die Berechnung des KPI gelegt werden?
  • Können Maßnahmen automatisiert erfolgen oder muss ein Entscheider eingreifen?
  • Wie schnell kann bzw. muss eine Reaktion erfolgen?
  • Was kann verbessert werden wenn frühzeitig reagiert wird?
  • Was kann passieren wenn zu spät reagiert wird?

Sie sehen bereits bei der ersten Frage nach der Frequenz: es geht um das ausgewogene Verhältnis von Aufwand zu Risiko und Chance. Je mehr Arbeit bei der jeweiligen Berechnung des KPI erforderlich ist bzw. je mehr Abtstimmung bzw. Interpretation für die Entscheidung zu Maßnahmen erforderlich ist um so schwieriger ist es eine hohe Messfrequenz zu implementieren und diese zu rechtfertigen.

Beispiel KPI Zeitgerechte Bereitstellung: Die Messung erfolgt für jeden Arbeitstag, gemäß der Arbeitstagdefinition im Operations Manual.

Wer führt die Messung durch?

In vielen Fällen wird, vor allem im Logistikumfeld, die Leistung eines Vertragspartners bewertet. Aus Sicht des Auftraggebers müssen Sie z.B. einschätzen wie großes Vertrauen Sie dem jeweiligen Partner in entgegenbringen bzw. welche Möglichkeiten Sie haben die berechneten KPI, zumindest in Stichproben, zu prüfen. Ich will hier definitiv niemanden unterstellen, dass bewusst falsche Informationen weitergegeben werden – aus meiner Praxis kenne ich aber viele Fälle von unterschiedlichen Interpretationen oder mangelhaften Basisdaten. Es ist es aber auch oft so, dass nur einer der Partner die benötigten Daten für die Berechnung des entsprechenden KPI zur Verfügung hat, vor allem wenn dieser Teilbereich bei der Definition der Datenübermittlung nicht berücksichtigt wurde. Ein guter Grund bereits frühzeitig im Projekt auch genauer über die KPI-Erstellung nachzudenken.

Beispiel KPI Zeitgerechte Bereitstellung: Die Messung erfolgt durch das Logistik-Team des Auftraggebers.

Müssen Einflussfaktoren anderer KPI berücksichtigt werden, wenn ja welche mit welchen Auswirkungen auf die jeweilige KPI-Betrachtung?

Nicht immer ist es sinnvoll KPI isoliert zu betrachten. Oft gibt es mehrere Einflussfaktoren oder auch Zielkonflikte. In unserem Beispiel könnten diese folgendermaßen aussehen:

  • Faktor 1: Der Auftraggeber möchte möglichst niedrige Logistikkosten
  • Faktor 2: Der Auftraggeber möchte, dass seine Aufträge die vor 12 Uhr übermittelt werden noch am selben Tag für den Versand bereitgestellt sind
  • Faktor 3: Der Dienstleister benötigt lineare Auslastung oder zeitgerechte Auslastungsplanung um zur Verfügung stehende Ressourcen und anstehende Aufgaben in Einklang zu bringen und die Kosten niedrig zu halten
  • Faktor 4: Das Bestellverhalten beim Auftraggeber ist stark schwankend (+/- 80% von Tag zu Tag) und nicht auf Tagesebene vorhersehbar, genauere Voraussagen sind nur für die Gesamtmengen auf Wochenebene möglich

Alle 4 Faktoren sind kaum unter einen Hut zu bringen. Rasche Abwicklung bei niedrigen Kosten ist ohne zuverlässige Planzahlen bei hoher Auftragsfluktuation nicht machbar. Wenn wir jetzt also die fehlende Planung bei der KPI-Definition nicht betrachten wird der Dienstleister Probleme haben, entweder zu viel Personal für zu wenig Arbeit oder zu viel Arbeit bei zu wenig Personal vor Ort. In letzterem Fall wird das Ziel unseres Beispiel KPI wohl regelmäßig verfehlt werden.

Sofern man an den Faktoren nichts verändern kann und die Schwankungen nicht durch Synergieeffekte mit anderen Bereichen kompensiert werden können muss wohl irgendeine Form von Kompromiss gefunden werden. So könnte z.B. an Tagen an denen die Mengen über den Schnitt der wöchentlichen Planzahlen liegen nur Aufträge für definierte wichtige Kundengruppen in der Berechnung berücksichtigt werden. 

Beispiel KPI Zeitgerechte Bereitstellung: Sofern der KPI „Planungsgenauigkeit“ für den entsprechenden Leistungstag außerhalb der definierten Parameter liegt müssen werden nur Aufträge für Kundengruppe „A“ (gemäß Definition im Operations Manual) für die Berechnung dieses KPI herangezogen.

Welche Datenquellen werden herangezogen?

Auch wenn es in der Regel einen engen Datenverbund zwischen den involvierten Parteien gibt werden Daten unterschiedlich gespeichert und interpretiert. Das ist nicht unbedingt beabsichtigt, unterschiedliche Systeme haben aber nunmal unterschiedliche Aufgaben und arbeiten daher auch unterschiedlich. Sie sollten daher festlegen welches System das jeweils führende für den KPI ist.

Beispiel KPI Zeitgerechte Bereitstellung: Die Daten werden aus dem ERP des Auftraggebers extrahiert.

Welche Daten werden berücksichtigt, welche ausgeschlossen?

Es gibt sie wohl überall. Die Ausnahmen zur Regel. Oft werden sie auch als Argument vorgebracht warum Zusagen nicht eingehalten oder KPI-Ziele verfehlt werden. Manchmal ist das korrekt, manchmal auch nur eine billige Ausrede. Je nachdem wie oft diese Ausnahmen vorkommen können Sie unterschiedlich damit umgehen. Sofern diese Ausnahmen tatsächlich eine relevante Auswirkung auf den jeweiligen KPI haben können würde ich aber einen dieser beiden Ansätze vorschlagen:

  • Klammern Sie die Ausnahmen aus den Basisdaten aus
  • Berechnen Sie eigene KPI für die entsprechende Ausnahmefälle

Beispiel KPI Zeitgerechte Bereitstellung: Alle Aufträge die am Übertragungstag (Tag A) bis 12:00 an den Dienstleister übermittelt wurden (Zeitstempel Datenübertragung ausgehend im ERP des Auftraggebers), Aufträge die danach übermittelt werden sind dem nächsten Arbeitstag (gemäß Definition im Operations Manual) zuzuordnen. Aufträge mit fixem Versandtermin (laut Definition im Operations Manual) werden automatisch der Kundengruppe „A“ zugerechnet und scheinen in der Berechnung für den entsprechenden Versandtag auf, allerdings nur sofern die Übermittlung zeitgerecht (laut Definition im Operations Manual) erfolgt ist. Sofern der KPI „Planungsgenauigkeit“ für den entsprechenden Leistungstag außerhalb der definierten Parameter liegt werden nur Aufträge für Kundengruppe „A“ (gemäß Definition im Operations Manual) für die Berechnung dieses KPI herangezogen.

Wie lautet die exakte Berechnungsformel?

Oft wird nur ein Schlagwort angegeben (z.B. „Kommissionierqualität) und nicht die Berechnungsformel. Die Probleme fangen dann an, wenn die Partner nicht die gleiche Definition des Schlagwortes verwenden – und das vorab nicht abgestimmt wurde. So kann ich die Kommissionerqualität z.B. auf Auftrags-, Positions- oder Stückebene verstehen. Wenn ich z.B. 10 Aufträge mit je 10 Positionen zu je 10 Stück kommissioniere und dabei bei einem Auftrag ein Stück vergesse komme ich, je nach Definition, zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen:

  • Kommissionierqualität auf Auftragsebene: 9 von 10 🡪 90%
  • Kommissionierqualität auf Positionsebene: 99 von 100 🡪 99%
  • Kommissionierqualität auf Stückebene: 999 von 1000 🡪 99,9%

Beispiel KPI Zeitgerechte Bereitstellung: Anteil der Aufträge (in Prozent) aus der zuvor definierten Mengean Aufträgen die am vorgesehenen Versandtag um spätestens 17 Uhr (Zeitstempel im ERP-System des Auftraggebers auf Basis der Kommissionierrückmeldung des Dienstleisters) laut der im Operations Manual definierten Kriterien als korrekt bereitsgestellt gelten.

Wie und wann werden die Ergebnisse kommuniziert?

Die Kommunikationsfrequenz hängt natürlich mit der Messfrequenz zusammen. Die Informationswege sind in erster Linie von den technischen Voraussetzungen und den Kommunikationsvorlieben des Management gesteuert. In manchen Unternehmen gibt es Systeme in denen die KPI erfasst (oder auch automatisch an diese übermittelt) werden, in anderen Anwendungsfällen erfolgt die Kommunikation per Email. Oft gibt es auch mehrere Empfängerkreise für die Informationen Zielgruppengerecht unterschiedliche aufgebaut werden sollten. Die Darstellung soll stets so gewählt werden, dass die relevanten Aussagen von der jeweiligen Zielgruppe einfach zu erkennen sind.

Beispiel KPI Zeitgerechte Bereitstellung: Täglicher Versand der Information im Rahmen des im Operations Manual definierten Dashboards an den ebendort definierten Empfängerkreis bis spätestens 9 Uhr am folgenden Arbeitstag (gemäß Definition im Operations Manual)

Welcher Zielerreichungsgrad wird angestrebt?

Bislang habe ich viel über Daten und Berechnungen geschrieben, aber was wollen wir eigentlich erreichen? Der Zielerreichungsgrad sollte gut überlegt sein. Ein zu niedriger Wert wird, die richtige Wahl der KPI vorausgesetzt, früher oder später zu Problemen führen. Wenn dem nicht so wäre würden wir den KPI ja nicht berechnen. Ein zu hoher Wert ist aber auch nicht gut. In einer guten Geschäftsbeziehung bekomme ich stets das, wofür ich zahle. Es läuft aber auch umgekehrt. Ich zahle für das, was ich bekomme. Wenn ich also mehr fordere als sinnvoll ist werde ich als Folge auch mehr dafür bezahlen als notwendig. Wenn wir uns dann auch noch an das Paretoprinzip erinnern wird auch klar, dass wir hier nicht von einer linearen Kostensteigerung sprechen. Nehmen Sie sich also die Zeit die optimale Schwelle von Kosten und Nutzen zu finden.

Beispiel KPI Zeitgerechte Bereitstellung: Ein Zielerreichungsgrad von zumindest 98% wird vereinbart.

Fazit: Arbeit, richtig investiert, verhindert Konflikte

Die genaue Definition der KPI ist zweifellos Arbeit und wird auch die eine oder andere Folgearbeit notwendig machen (z.B. u die Grundlagen der Datenermittlung einzurichten). Arbeit die sich aber bezahlt macht. Eine frühzeitige genaue Definition spart Zusatzaufwand da einige Arbeiten bereits im Rahmen der Implementierung berücksichtigt werden und benötigen in vielen Fällen daher weniger Aufwand als wenn die KPI-Thematik erst in einem nachgelagerten Schritt umgesetzt wird. Außerdem haben Sie Ihre KPI dann ab Tag 1 zur Verfügung. Gerade zum Start der Zusammenarbeit sind aktuelle und von allen Partnern akzeptierte Kennzahlen wichtiges Mittel zur Kommunikation. Im eingefahrenen Betrieb helfen Sie Probleme im eigenen Unternehmen aber auch bei den Partnern frühzeitig zu erkennen und gemeinsam die richtigen Maßnahmen zu setzen.

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