Outsourcing der operativen Logistik – Folge 2: Macht Outsourcing für mein Unternehmen Sinn?

 

Folge 2: Macht Outsourcing für mein Unternehmen Sinn?

Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Ein Outsourcing-Projekt aufzusetzen, nur weil das in Ihrem Umfeld gerade modern ist, ist kein ausreichender Grund. Die Entscheidung, Leistungen fremd zu vergeben, ist zumeist folgenreich und oft nur schwer umkehrbar. Es lohnt daher, sich sehr kritisch mit der Thematik auseinanderzusetzen. Die Antwort zur obigen Frage finden Sie auch in diesem Blog-Beitrag nicht, sehr wohl aber eine Übersicht, was es abzuwägen gilt. Im Rahmen des Blogs kann ich nur einen beispielhaften Überblick über ein paar Aspekte bieten, die für jedes Projekt spezifisch erweitert werden müssen. Sehen Sie es als Anregung zu Ihren eigenen Gedanken.


Ein Plan muss her!

Die Outsourcing-Entscheidung sollte einem zuvor definierten Prozess folgen. Sinn macht es sicherlich, das Thema von Anfang an als Projekt aufzusetzen. Was müssen Sie für die Entscheidung wissen, wer kann die notwendigen Informationen beschaffen und wieviel Zeit bzw. Aufwand ist dafür erforderlich? Wer soll in der aktuellen Phase in die Überlegungen einbezogen werden? Wer kann einen wertvollen Beitrag leisten? Sie sehen, alleine diese ersten Überlegungen lassen sich nicht nebenbei in einer Kaffeepause beantworten. Schon die Analyse, ob Outsourcing für Ihr Unternehmen Sinn macht ist, also mit Arbeit, Aufwand und Kosten verbunden.


Was bringt mir Outsourcing?

Es gibt viele gute Gründe die für die Fremdvergabe von Logistikdienstleistungen sprechen – aber auch nicht minder gute die dagegen sprechen.

Starten wir mit ein paar möglichen Vorteilen. Weit oben auf der Wunschliste steht oft die Variabilisierung bisheriger Fixkosten. Vor allem bei größeren saisonalen Schwankungen im Lager- oder Transportbedarf kann ein Logistikdienstleister, durch die Bündelung der Logistikströme vieler Kunden mit unterschiedlichen Saisonalitäten, Variabilitäten einzelner Auftraggeber ausgleichen. Die Auslagerung von Logistikaufgaben wird oft auch dadurch begründet, eigene kostbare Ressourcen für andere Aufgaben freizuspielen. Die Erweiterung von Produktionskapazitäten im urbanen Raum ist durch begrenzte Flächenverfügbarkeit z.B. oft nur möglich indem eigene Lagerkapazitäten umgewidmet werden. In einer solchen Situation ist Outsourcing eine valide Alternative zur Neuinvestition in eigene Lagerkapazitäten und hilft, das gebundene Kapital niedrig zu halten. Stichwort gebundenes Kapital: Eigene Anlagen, wie z.B. Lagerhäuser, sind oft nicht skalierbar. Bei der Investition muss also recht weit und genau geplant werden, um einerseits genug Kapazität und andererseits keine nicht benötigte Überkapazität vorzuhalten. Die Vergabe von Logistikdienstleistungen an Dienstleister erlaubt es dem Auftraggeber, sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren. Gleichzeitig hat man durch das Outsourcing Zugriff auf das Logistikwissen der Dienstleister und deren, in vielen Jahren und für verschiedenste Branchen aufgebaute, Kernkompetenz. Outsourcing, richtig gemacht, kann also auch die Chance sein, über die Partnerschaft mit einem Dienstleister moderne Logistikabläufe zu implementieren.


Eh alles toll, oder?

Klingt zu schön um wahr zu sein? Stimmt. Es gibt eine nicht minder lange Liste an Gründen warum man Logistik-Outsourcing mit Vorsicht genießen sollte. Das offensichtlichste Risiko ist sicher das der Nicht- oder Schlechtleistung. Im eigenen Unternehmen können die Verantwortlichen rasch und nachhaltig korrigierend eingreifen, auf einen externen Dienstleister hat man nicht diese direkte Durchgriffsmöglichkeit. Wobei der Mangel an der Leistung vielleicht eine subjektive Einschätzung des Auftraggebers ist und der Dienstleister der Meinung sein mag, die Leistung analog zum Vertrag zu liefern. Das kommt bei mangelnder Tiefe der Vereinbarung durchaus vor (mehr dazu im ersten Teil meiner Blog-Serie). Wenn der Konflikt schon darin besteht, nicht das gleiche Problem zu sehen, wird es ganz schwer. Auch sonst ist aber Eile in der Behebung geboten. Es gibt heutzutage nur wenige Produkte bei denen der Markt Schwächen in der Logistik akzeptiert und sich nicht dem Mitbewerb zuwendet. Nachhaltige Logistikprobleme können für das produzierende oder handelnde Unternehmen also recht schnell zur Überlebensfrage werden. Ein gut aufgesetztes Outsourcing-Projekt, eine gründliche Partnerwahl, Detailtiefe in der Vereinbarung und die Implementierung der richtigen operativen Kennzahlen sind aber ein guter Weg dieses Risiko zu minimieren. In jedem Fall begibt man sich durch die externe Vergabe von Logistikaufgaben in ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zum jeweiligen Dienstleister.

Gehen wir mal vom Extremfall weg, es gibt auch noch andere Aspekte die gegen Outsourcing sprechen können. Nicht genutztes Wissen geht einem Unternehmen früher oder später verloren. Die bisher zuständigen Mitarbeiter wechseln in andere Bereiche, verlassen das Unternehmen mangels Bedarf an der eigenen Kompetenz oder wechseln mit der Aufgabe zum Dienstleister (Betriebsübergang, dazu in ein paar Zeilen mehr). Früher oder später ist das Wissen im eigenen Unternehmen nicht mehr verfügbar. Und genau das ist der schwerwiegendste Punkt warum Outsourcing so schwer umkehrbar ist. Bevor die Logistikaufgaben wieder ins das eigene Unternehmen geholt werden können muss sichergestellt sein, dass die entsprechende Kompetenz (wieder) vorhanden ist. Das Risiko bei einem Insourcing-Projekt sehe ich deutlich größer als beim Outsourcing. Dessen sollte man sich vor der Entscheidung zum Outsourcing bewusst sein.

Den Betriebsübergang habe ich weiter oben schon erwähnt. Ich hatte damit schon zu tun, bin aber kein Experte für dieses Thema. Der entsprechende Rahmen des europäischen Rechts existiert dazu seit über 40 Jahren, immer wieder gibt es aber neue Gerichtserkenntnisse zu diesem Themengebiet. Es kann also recht komplex werden und bedarf Fachwissens. Sollte Betriebsübergang auch nur eventuell ein Thema werden ziehen Sie bitte bereits in der Bewertungsphase des Outsourcings Experten hinzu, die Ihnen Details zu den damit verbundenen Kosten, Fristen, Chancen und möglichen Risiken für Ihr Unternehmen einbringen können.

Ein Hindernis kann auch die Notwendigkeit sein, Informationen mit dem Dienstleister teilen zu müssen. Gibt es logistikrelevante Betriebsgeheimnisse die mich von meinen Mitbewerbern unterscheiden? Welche Risiken sind damit verbunden wenn ich diese Informationen mit Personen außerhalb meines Unternehmens teilen muss? Was passiert wenn diese Informationen nicht dafür vorgesehene Kreise erreichen?

Gibt es rechtliche Pflichten die ein Dienstleister vielleicht nicht erfüllen kann oder deren Übertragung ein Problem darstellen könnte? Das kann vor allem ein Thema im sicherheitsrelevanten Branchen sein, z.B. im Rüstungsbereich oder in Zusammenhang mit kritischer Infrastruktur.

Änderungen auf Zuruf (wie das im eigenen Unternehmen oft funktioniert) sind mit einem etablierten Logistikdienstleister nicht ohne weiteres möglich. Gut aufgestellte Dienstleister bewerten Änderungsanforderungen im Rahmen ihrer Change Management Methodik in Bezug auf Machbarkeit und Auswirkungen und treffen dann gemeinsam mit dem Auftraggeber die Entscheidung ob die Änderung implementiert wird oder nicht. Aus meiner Sicht ist das kein Nachteil, aber für viele Unternehmen, die den Logistikbereich bislang selbst organisiert haben, eine nicht immer leicht zu akzeptierende Änderung. Für den Auftraggeber ist das oft eine Veränderung in Richtung „mehr Struktur“, für Dienstleister, die ihre Dienstleistung parallel für viele Kunden erbringen, eine Notwendigkeit. Unterm Strich ist es ja eine Änderung in der vertraglich geregelten Dienstleistung.


Und jetzt?

Es ist absolut normal, dass Sie viele Argumente sowohl für als auch gegen die externe Vergabe Ihrer Logistikaufgaben finden werden. Diese richtig zu gewichten ist wesentlich für Ihre richtige Entscheidung. Vor allem bei den Argumenten gegen Outsourcing muss kritisch hinterfragt werden ob und wie das entsprechende Risiko auf ein akzeptables Niveau gesenkt werden kann. Gelingt das nicht und es verbleiben Hindernisse, die als KO-Kriterium gegen Outsourcing identifiziert werden – legen Sie das Thema zu den Akten und prüfen Sie z.B. alle 2 Jahre ob es entscheidungsrelevante Veränderungen gibt. Aktuell macht es wohl keinen Sinn wenn Sie weitere personelle und finanzielle Ressourcen in die weitere Evaluierung stecken.

Wenn Sie in am Ende der Bewertung Vorteile im Outsourcing sehen – go ahead! Wie Sie das tun erfahren Sie im nächsten Teil der Serie. Vorweg: Die Entscheidung für Outsourcing ist noch nicht final. Bislang haben Sie ja nur geprüft ob es eine valide Option darstellt. Endgültig entscheiden können wir erst wenn auch die externen Parameter (Anbieter, Leistungsumfang, Kosten, …) bekannt sind.


Fazit: Eine weitreichende Entscheidung

Ob die externe Vergabe von Logistikdienstleistungen Sinn macht ist von vielen Parametern abhängig. Nicht für jedes Unternehmen ist jeder Themenbereich relevant, die Gewichtung ist auf Basis der Ist-Situation und der weiteren Strategie des jeweiligen Unternehmens sehr unterschiedlich. Wie so oft gilt auch hier: Je mehr man in das Thema investiert um so besser wird die Entscheidungsbasis sein.

Durchaus sinnvoll kann es sein, bereits in dieser frühen Phase Unterstützung in Form eines Logistikexperten zu suchen. Ein externer Berater bringt, neben dem Fachwissen wie man so einen Prozess im Detail aufzieht und Erfahrung mit vergleichbaren Projekten, auch die objektive Sicht auf die Situation. Unbeeinflusst von persönlichen Beziehungen und Firmenhistorie.


Wie geht es in der Serie weiter?

Die initiale Entscheidung ist gefallen. Logistik-Outsourcing ist eine valide Option. Nächste Woche dreht sich dann alles um die Ausschreibung. Den nächsten Teil finden Sie hier ab Mittwochmorgen.

Ich freue mich sehr über Ihre Rückmeldung zur Serie und beantworte gerne Ihre Fragen. Meine Kontaktdetails finden Sie hier.

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Die vollständige Blog-Serie zum Outsourcing von Logistikleistungen

Folge 1     |    Folge 2     |     Folge 3     |     Folge 4     |     Folge 5     |     Folge 6

 



Veröffentlicht am 20. Januar 2021

Titelbild: iStock.com/AndreyPopov