Outsourcing der operativen Logistik – Folge 3: Jetzt geht’s los! Aber was ist eigentlich zu tun?

Folge 3: Jetzt geht’s los! Aber was ist eigentlich zu tun?

Nachdem die Entscheidung gefallen ist, Logistik-Outsourcing als valide Option zu sehen, fängt die Arbeit jetzt erst so richtig an. Um die Fremdvergabe von Leistungen der Eigenleistung sauber gegenüberzustellen bedarf es einer Menge an Informationen die in vielen Unternehmen (noch) nicht auf Knopfdruck zur Verfügung stehen. Es lohnt sich hier wirklich sehr ins Detail zu gehen, Sparen an der falschen Stelle kann in weiterer Folge zu massiven Problemen bis hin zum Scheitern des Projekts führen.


Was soll eigentlich an einen Dienstleister übergeben werden?

Nicht immer macht es Sinn die vollständige Logistikabwicklung auszulagern. Tätigkeiten in kleinerem Umfang mit hoher Spezifität, hohem Fehlerrisiko oder der Bedarf an Spezialmaschinen sind eventuell weiterhin besser bei Ihnen aufgehoben. Überlegen Sie also gut welche Bereiche sie extern vergeben wollen und welche nicht.


Wie sehen die zu Grunde liegenden Prozesse aktuell aus?

Je genauer die eigenen Prozesse bekannt sind umso genauer kann die Aufgabe den potenziellen Dienstleistern im Rahmen der Ausschreibung nähergebracht werden. Falls noch nicht vorhanden, ist nun somit ein guter Zeitpunkt, Prozessdokumentationen anzulegen. Der Standardablauf ist dabei natürlich die Priorität, vergessen Sie aber nicht auf Sonderfälle sowie mögliche Abweichungen und Problemkonstellationen. Je mehr Informationen dazu Sie dem künftigen Anbieter liefern umso besser versteht dieser die Anforderung und umso transparenter kann die Kostenstruktur – und damit ein wesentlicher Teil Ihrer Entscheidung – ausgestaltet werden. Eines ist sicher: Alles was nicht im Vorhinein bekannt und berücksichtigt wurde bringt Probleme im Ablauf – und Ihnen nicht vorhergesehene Kosten für diese „Sonderleistungen“.


Was könnte ich in meiner eigenen Abwicklung noch verbessern?

Die detaillierte Aufnahme der Prozesse kann durchaus Schwächen in der eigenen Logistikabwicklung aufzeigen. Sind Sie in der Lage, das in Zukunft zu verbessern? Es ist legitim, erkannte aber noch nicht gehobene Potentiale in der Betrachtung der Eigenleistung im Vergleich zur Auslagerung an Dienstleister zu berücksichtigen.


Wieviel kostet mich die Eigenabwicklung?

Für Ihre Entscheidung wollen Sie nicht nur die Anbieter untereinander vergleichen, sondern auch ob diese die bessere Alternative zur Eigenleistung darstellt. Die finale Entscheidung zum Outsourcing fällen wir ja erst später, wenn alle Informationen am Tisch liegen. Meine Erfahrung zeigt allerdings, dass gerade die Ermittlung der Eigenleistungskosten Unternehmen immer wieder Probleme bringt, zum Beispiel die korrekte Zuteilung aller relevanten Kostenblöcke. Was kostet Sie die Eigenleistung der Bereiche, die sie outsourcen wollen, bereits berichtigt um erkannte Optimierungspotentiale, die Sie realistisch heben können? Wichtig in der Betrachtung ist auch die Entwicklung der Kostenstruktur durch das Outsourcing. Wie ändern sich die Kosten für Immobilien, Geräte, Personal, Versicherungen? Kann ich freiwerdende Flächen veräußern oder anderwertig sinnvoll verwenden? Welche Initialkosten für das Outsourcing müssen berücksichtigt werden?


Welche Qualität biete ich mit der Eigenabwicklung?

Der reine Kostenvergleich ist natürlich nicht ausreichend, um eine Entscheidung zu fällen, auch qualitative Parameter müssen untersucht werden. Welche Kennzahlen sind relevant? Werden diese bereits für die Eigenabwicklung erhoben? Ohne Erhebung der relevanten Eigenleistungskennzahlen werden Sie keinen aussagekräftigen Vergleich zum potenziellen Outsourcing vornehmen können. Wie sonst wollen Sie entscheiden was gut und was schlecht ist?

Die Definition der relevanten Kennzahlen ist für sich schon eine große Aufgabe, die es lohnt im Detail zu erörtern. Hier würde das aber den Rahmen sprengen. Dem Thema werde ich mich in einem eigenen Blog-Beitrag außerhalb der Outsourcing-Serie widmen.


Welche Kennzahlen und Zielwerte sollen den potenziellen Dienstleistern vorgegeben werden?

Einfache Antwort: Alle die für die Abwicklung relevant sind. Stehen die zu messenden Kennzahlen und die jeweils zu erreichenden Minimalziele bereits im Zuge der Ausschreibung fest, ersparen Sie sich viel Diskussion im weiteren Projekt. „Minimalziele“ klingt für viele Leser vermutlich abschreckend, der Mensch an sich strebt ja nach Perfektion. Trotzdem lohnt es sich zu jeder Kennzahl Ihren minimalen akzeptablen Wert zu kennen und zu kommunizieren. Der Grund dafür ist das Paretoprinzip, welches sinngemäß aussagt, dass die ersten 80% des Ziels mit 20% des Aufwands erreicht werden können, die restlichen 20% der Zielerreichung aber 80% des Aufwands benötigen. In der Praxis ähnelt der steigende Aufwand einer Exponentialfunktion. Das wissen natürlich auch erfahrene Logistikdienstleister, die das entsprechend in Prozessdesign und Kalkulation berücksichtigen und einpreisen. Es gibt zweifellos Branchen, die einer äußerst niedrigen Fehlertoleranz bedingen, z.B. der medizinische Bereich oder JIT/JIS Produktionsversorgung – das schlägt sich in den Logistikkosten auch deutlich nieder. Überlegen Sie also gut welche Zielwerte in Ihrer Branche üblich bzw. akzeptabel sind. Eine realistische Einschätzung sowie die Definition von Sanktionen bei Abweichung liefern Ihnen die Qualität, die Sie benötigen, zu bestmöglichen Kosten.


Welche Schnittstellen zum Dienstleister muss ich vorsehen?

Bei der Eigenabwicklung sind Kommunikationswege oft kurz und informell, operative Logistikfunktionen sind oft im genutzten ERP-System integriert. Beim Outsourcing ändert sich das drastisch. Änderungen auf Zuruf sind bei einem Dienstleister nicht so einfach durchzusetzen (und meines Erachtens auch nicht sinnvoll), es Bedarf klarer Definitionen. Für die Auslagerung von Dienstleistungen müssen daher Schnittstellen definiert werden, sowohl auf operativer Ebene als auch im Verbund der IT-Systeme. Selbst wenn der Dienstleister das IT-System des Auftraggebers nutzen soll muss definiert werden, welche Transaktionen für die externen Benutzer verfügbar sein sollen. Die Definition der Schnittstellen fällt umso leichter je genauer und vollständiger die Prozessdefinition zuvor durchgeführt wurde. Auf dieser Basis prüft man welche Prozesse der künftige Partner ausführen soll, welche Informationen er in welcher Form wann dafür benötigt und welche Informationen Sie erhalten müssen, um Ihre Folgeprozesse (z.B. Rechnungserstellung im ERP nach Kommissionierung der Ware durch den Dienstleister) durchzuführen. Natürlich gilt es auch hier potenzielle Sonder- und Abweichungsfälle nicht zu vergessen.

Oft müssen diese Schnittstellen, vor allem die technischen, erst implementiert werden. Ein Aufwand den Sie bei der Bewertung des Outsourcings gegenüber der Eigenleistung berücksichtigen sollten.


Welche Dienstleister können die Aufgabe erfüllen?

Mittlerweile wissen wir sehr gut welche Tätigkeiten wir eventuell an Dienstleister auslagern, wie die Schnittstellen aussehen und welches Service wir erwarten. Spätestens jetzt ist es an der Zeit zu überlegen wer diese Aufgabe übernehmen kann. Recherche ist angesagt. Wer ist dafür bekannt solche Dienstleistungen anzubieten? Haben Sie Zugang zu Erfahrungswerten in Bezug auf Leistungserfüllung, Partnerschaft und Qualität? Nutzen Sie Ihr Netzwerk!


Wie lege ich den Ausschreibungsprozess an?

Die erste Liste der potenziellen Anbieter ist oft lang und kann deutlich mehr als 10 potentielle Dienstleister beinhalten. Sie können natürlich mit all diesen Anbietern durch den Vergabeprozess gehen, es macht aber durch aus Sinn, die Zahl auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren. Weniger Gesprächspartner, dafür aber mehr in die Tiefe. Eine Möglichkeit, den Aufwand zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Auswahl hochzuhalten, ist ein mehrstufiges Auswahlverfahren. In der ersten Runde starten Sie z.B. mit allen Anbietern in einen RFI (Request for Information) um für Sie relevante Informationen zum Projekt abzufragen und auf dieser Basis eine Reduktion auf eine Handvoll Anbieter zu erreichen. In der zweiten Runde steht dann ein RFQ (Request for Quotation) in dem Ihre detaillierten Ausschreibungsunterlagen enthalten sind und die potentiellen Dienstleister ein Angebot inklusive der Ihnen entstehenden Kosten für Implementierung und operativen Betrieb legen. Die weiteren Verhandlungen und Detailabstimmungen können dann z.B. auf die zwei bis drei Bestbieter konzentriert werden.

Durchaus üblich es auch, vor Versand der Unterlagen eine beidseitige Geheimhaltungserklärung an die potenziellen Dienstleister als Vorbedingung zur Teilnahme zu übermitteln. Bei Projekten, die keinesfalls frühzeitig bekannt werden dürfen, kann dies auch anonymisiert über einen auf Logistik-Outsourcing spezialisierten Berater erfolgen.


Was gehört alles in die Ausschreibung?

Hier gibt es keine klare Vorgabe, aber gerne gebe ich eine Empfehlung: Alles was Sie möchten, dass der künftige Logistikpartner in Prozessdesign und Kalkulation berücksichtigt. Ich würde also z.B. Details zu den Prozessen, Schnittstellen, Kennzahlenberechnung und Zielwerte, Mengengerüst, Laufzeiten, verbindliche Vertragsbestandteile und noch einiges mehr angeben. Prinzipiell gilt: Je mehr relevanter Inhalt geteilt wird umso genauer kann der Dienstleister kalkulieren und umso weniger Raum für Diskussionen lassen Sie für die weiteren Gespräche. Eine ordentlich vorbereitete Ausschreibung signalisiert den potenziellen Dienstleistern auch, dass Sie es durchaus ernst meinen. Warum das wichtig ist? Es gibt eine nicht unbedeutende Zahl an Unternehmen, die regelmäßig Ausschreibungen am Markt platzieren – nicht unbedingt mit dem Ziel, den Dienstleister zu wechseln, sondern in erster Linie Druck auf den aktuellen Dienstleister aufzubauen. Die Chancen eines anderen Dienstleisters, diese Ausschreibung zu gewinnen, sind somit gering, die Bearbeitung derselben aber trotz allem ressourcenintensiv. In der Logistikdienstleisterbranche wird diese Vorgehensweise als „Benchmarking“ bezeichnet. Ausschreibungen mit hoher Benchmarking-Wahrscheinlichkeit werden dadurch immer öfter von Dienstleistern abgelehnt, vor allem wenn das für die Bearbeitung benötigte Team durch Ausschreibungen mit höherer Gewinnwahrscheinlichkeit ohnehin bereits ausgelastet ist.


Welche Informationen fordere ich von den potenziellen Dienstleistern an?

Fragen Sie nach allem was für Ihre Entscheidung relevant ist. Einiges davon wird Ihnen erst klar, wenn Sie sich überlegt haben wie Sie bewerten (mehr dazu im nächsten Teil dieser Blog-Serie). Grundlegend geht es darum, eine Idee über die vom Dienstleister geplanten Prozesse und den damit verbundenen Kosten zu erhalten. Vorgaben, die Sie bereits im Rahmen der Ausschreibung gegeben haben, müssen Sie nicht nochmal anfordern, Sie sollten die Dienstleister aber explizit darauf hinweisen, dass sie jegliche Abweichungen von Ihren Vorgaben im Angebot darstellen müssen. Glauben Sie mir, auch das spart Stunden an Diskussionen im weiteren Projektverlauf.


Fazit: Die Vorbereitung der Ausschreibung ist entscheidend

Sie alleine bestimmen den Inhalt der Ausschreibungsunterlagen. Sie sind der Autor, Sie definieren, was Sie an Informationen liefern und was Sie erhalten wollen. Je genauer Sie das machen umso spezifischer werden die Angebote der Dienstleister und umso besser Ihre Chance, auf dieser Basis die richtigen Entscheidungen zu treffen. Anforderungen, die erst nach der Ausschreibung hinzugefügt werden, geben den Dienstleistern die Möglichkeit, das Angebot in diesen Bereichen wieder aufzuschnüren. Das kostet zumindest Zeit für Diskussionen und verlängert die Laufzeit des Projekts. Anforderungen, die erst nach der Vergabeentscheidung geäußert werden, führen in den meisten Fällen zu höheren Aufwand und Kosten als wenn das bereits initial berücksichtigt worden wäre.


Wie geht es in der Serie weiter?

Der Ausschreibungsprozess wurde definiert, die Ausschreibung ist erstellt. Im nächsten Teil der Serie schauen wir uns an wie Sie den Weg zur finalen Entscheidung gestalten

Ich freue mich sehr über Ihre Rückmeldung zur Serie und beantworte gerne Ihre Fragen. Meine Kontaktdetails finden Sie hier.

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Die vollständige Blog-Serie zum Outsourcing von Logistikleistungen

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Veröffentlicht am 27. Januar 2021

Titelbild: iStock.com/AndreyPopov

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